Kosovo A

Sowjetische Technologie für das jüngste Land Europas

Das Kraftwerk Kosovo A sei die schlimmste punktuelle Quelle von Umweltverschmutzung in Europa, schreibt die Weltbank. Es läuft seit über fünfzig Jahren – und könnte noch länger als geplant am Netz bleiben. Ein Rundgang an einem Ort aus einer anderen Zeit.

Das Bild, das Hamdi Gashi in seinem Büro aufgehängt hat, genau hinter seinem Schreibtisch, hat etwas Unheimliches. Dampfwolken steigen aus Schornsteinen und bilden eine einzige weiß-graue Wolke am Himmel. Die blassen Farben lassen das Ganze noch trister wirken. Gashi zeigt das Gemälde mit Stolz. „Das war ungefähr der Dampf, den die Blöcke vor der Installation der neuen Elektrofilter produzierten“, sagt der Direktor von Kosovo A, dem Kohlekraftwerk auf dem Gemälde.

„Das Bild wurde vor dreißig oder vierzig Jahren gemalt.“ Ungeübte Augen würden schwer einen Unterschied zum heutigen Kraftwerk erkennen, insbesondere an diesem verregneten Aprilvormittag, an dem die Anlage noch grauer erscheint.

Als Kosovo A begann, Strom zu produzieren, war Konrad Adenauer noch Bundeskanzler. 52 Jahre später ist es weiterhin da.

Interaktive Grafik: Energiemix im Vergleich

Laut Mustafa Izet, dem Chef der Energie-Gewerkschaft SPEK, verloren seit dem Ende des Kosovokrieges mehr als dreißig Arbeiter ihr Leben – nicht nur in Kosovo A, sondern auch in den Tagebauen oder bei den Transformatoren. In einer Studie der EU aus dem Jahr 2010 heißt es: Das Management und die Belegschaft machen zwar einen hervorragenden Job, aber „arbeiten in Kosovo A ist ziemlich gefährlich. Es gibt hohe Gesundheits- und Sicherheitsrisiken für die Arbeiter in dem Betrieb und in der Wartung aufgrund der Störfälle, der vernachlässigten Wartung und der schlechten Systemverwaltung der Anlage.“ 

Quelle: http://mzhe.rks-gov.net/?page=2,42,440
Kosova e Re – das neue Kraftwerk

Wird Kosova e Re jemals gebaut? Außer einem Eintrag auf Google Maps ist von dem Kraftwerk bisher nichts zu sehen. Ursprünglich war ein Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 2000 Megawatt geplant, das Kosovo zum größten Stromexporteur der Region gemacht hätte...

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Derzeit scheint kaum jemand noch ernsthaft daran zu glauben, dass Kosovo A wie angekündigt bis 2017 abgeschaltet wird. „Das ist ziemlich fraglich“, gibt der Projektmanager von Kosova e Re, Liridon Mavriqi, zu. Er ist überzeugt, Kosovo A werde so lange Strom produzieren, bis sein Nachfolger ans Netz geht. „Wir erwarten, dass das neue Kraftwerk ab dem Jahr 2020 beginnen wird, Strom zu liefern.“ Wie wird Kosovo A, eine Anlage, die schon heute so wirkt wie eine Industrieruine in Betrieb, wohl 2020 aussehen?

Wäre da nicht der dröhnende Lärm auf der ersten Ebene der Produktionshalle, man könnte denken, Kosovo A sei längst stillgelegt. Rostige Maschinen, zerplatzte Anzeiger, auf dem Boden eine Regenpfütze. Alles wirkt grau, selbst die blauen Generatoren und Turbinen oder die orangefarbenen mit kyrillischer Beschriftung: Sowjetische Technologie im jüngsten Land Europas. Ing. dipl. elek. Hamdi Gashi, der seit 36 Jahren in Kosovo A arbeitet und seit 15 Jahren dessen Leiter ist, zeigt die fünf Blöcke. Zwei davon, die ältesten, sind nicht mehr in Betrieb.

Kritiker und Befürworter in Kosovo, Brüssel – und Deutschland?

Das Projekt eines neues Kohlekraftwerks wird schon seit Jahren kontrovers diskutiert. „Wir brauchen kein neues Kohlekraftwerk. Was wir brauchen ist die Abschaltung von Kosovo A“, sagt zum Beispiel Rinora Gojani von der Denkfabrik INDEP (Institute for Development Policy). Die Umsiedlungen sind nicht das einzige Streitthema.
Ein Überblick über weitere Argumente der Kritiker und der Befürworter.

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Draußen schaut Gashi auf den Schornstein über seinem Kopf. „Sehen Sie die Asche? Ich sehe keine“, fragt und antwortet er sich selbst – und lacht. Gashi deutet auf die neuen Elektrofilter, gebaut von einer deutschen Firma, die in den letzten zwei Jahren installiert wurden. Er lächelt die Gerüchte weg, wonach der Kraftwerksbetreiber KEK die Filter nachts ausschalte, um Geld zu sparen. 40 Millionen Euro habe das Unternehmen in Kosovo A investiert, 25 davon in die Filter. „Vor dem Krieg haben wir nie auf die Umwelt geachtet, aber heute hat sie für uns oberste Priorität.“ Die Umweltverschmutzung in Obiliq? Hamdi Gashi gibt sich gelassen: „Die Situation hat sich verbessert, der Anteil von Kosovo A an der Umweltverschmutzung ist erheblich gesunken und ist heute nicht mehr so groß.“