EDITORIAL

Von Andres Eberhard und Christina Schmidt

Es war irgendwann im Dezember, eigentlich war unser Schulleiter Philipp Maußhardt schon aus der Tür raus, er kam noch einmal zurück und rief einen Satz in die Runde: „Wir fahren übrigens in den Kosovo.” Die Runde schwieg.

Kosovo? Was wissen wir eigentlich über den Kosovo?

Wenig: Krieg, Kampf um Unabhängigkeit, Amselfelder-Kopfschmerz-Wein. Manche unserer Eltern erinnern sich an Karl May, der seinen Kara Ben Nemsi ins „Land der Skipetaren“ geschickt hat. In Deutschland wird selten über das Land an sich gesprochen, öfter noch über seine Bewohner, wenn sie als Asylbewerber kommen und wieder abgeschoben werden.

Geschichte des Kosovo: Zeitstrahl (Screen: knightlab.com)

Dabei passierte allein im Frühsommer 2014 vieles, was auch die deutsche Öffentlichkeit interessieren sollte: Der Bundestag hat den Einsatz der Bundeswehr verlängert; der umstrittene Premierminister Hashim Thaçi wird trotz Wahlsieg die Macht an ein Bündnis seiner Gegner abgeben müssen, das sich selbst "Regierung der Hoffnung" nennt. Und wenige Wochen nach unserem Besuch kam es im größten Kraftwerk des Landes zu einer schweren Explosion.

Mitte April setzten wir, zwölf Journalistinnen und Journalisten der Zeitenspiegel-Reportageschule, uns in drei Autos, fuhren 1800 Kilometer, passierten acht Grenzen, um im Herzen des Balkan ein Land zu besuchen, das nur halb so groß wie Hessen ist.

Kosovo ist nicht nur eines der kleinsten, sondern auch das jüngste Land Europas, gerade einmal sechs Jahre alt. Jung ist auch die Bevölkerung, die Hälfte unter 25 Jahren. Es wächst eine Generation heran, die mit anderem in Verbindung gebracht werden will als mit Krieg. Wir spürten diese Aufbruchstimmung in der Hauptstadt Pristina genauso wie weit oben in den Bergen.

Der Weg ist das Ziel: Die lange Fahrt in den Kosovo

Was wissen wir jetzt, nach unserer Reise, über das Land? Kosovo ist für uns heute die große Gastfreundschaft, die uns auf der Suche nach einem Bett begegnete. Kosovo, ist der Kaffee, der auch in der letzten Kaschemme schmeckt wie vom italienischen Barista zubereitet. Kosovo ist die Frage „Bist du aus Deutschland?” – viele haben eine Verbindung hierher, wo sie selbst lebten oder immer noch Verwandte haben.

Kosovo ist auch ein Land, das in alten Strukturen festhängt. Oft fallen in Gesprächen Begriffe wie „Korruption” oder „Schmuggel”, sie werden mit den Mächtigen in Verbindung gebracht. Wie groß die Zerwürfnisse zwischen Kosovo-Albanern und Kosovo-Serben noch immer sind, wird an den zweisprachigen Ortsschildern sichtbar – am stärksten dann, wenn der serbische Name übermalt worden ist.

Apropos Kosovo ist ein Online-Magazin, ein Puzzle aus zwölf Geschichten, die sich zu einem großen Bild zusammenfügen. Es erzählt beispielsweise von der Arbeit einer mutigen Fernsehmoderatorin, die Skandale aus Politik und Wirtschaft aufdeckt. Von der Hochzeit eines jungen Paares und ihrem Umgang mit Tradition und Moderne. Oder von den Studierenden, die mit Protesten ihren Rektor davon jagten. Es erzählt von einem Land, das es lohnt zu entdecken.