Umwelt

Kohle ohne Ende

Der Kosovo sitzt auf einem der größten Braunkohlevorkommen Europas – und betreibt das dreckigste Kraftwerk des Kontinents. Die Regierung will das Kraftwerk abschalten und mit Hilfe der Weltbank ein neues bauen. Einwohner müssen dem Tagebau weichen. Eine Erkundung in vier Kapiteln. Von Alessandro Alviani

Wie soll ein Land wirtschaftlich wachsen, wenn niemand weiß, wann es Strom gibt? Wie sollen Investoren aus dem Ausland gelockt, neue Firmen gegründet, zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden? Die unzuverlässige Stromversorgung ist eines der Haupthindernisse für die Entwicklung des Kosovos, eines Landes, das der eigenen Regierung zufolge über die fünftgrößten Braunkohlevorkommen der Welt verfügen soll. Oft fließt der Strom nur ein paar Stunden am Vormittag und am Nachmittag. Häufig ist er plötzlich weg. Ausfälle gehören zum Alltag. Die Gründe: Stromdiebstahl, ein marodes Netz und eine veraltete Produktion.

Fast die gesamte Elektrizität des Landes wird von zwei Kohlekraftwerken produziert, Kosovo A und Kosovo B, die zusammengerechnet seit achtzig Jahren am Netz sind. Kosovo A wurde von der Weltbank als „die schlimmste punktuelle Quelle von Umweltverschmutzung in Europa“ bezeichnet. In der Region um das Kraftwerk häufen sich Krebsfälle und Atemwegserkrankungen.

Die Regierung hat angekündigt, Kosovo A bis 2017 abzuschalten. Sie will dafür mit Hilfe der Weltbank ein neues Kohlekraftwerk bauen, genannt Kosova e Re (Neues Kosovo) oder auch Kosovo C. Gleichzeitig soll Kosovo B grundsaniert werden. Da der Bedarf an Braunkohle steigen wird, sollen der Tagebau nahe Pristina ausgeweitet und Einwohner umgesiedelt werden.

NACHTRAG: Nur wenige Wochen nach der Recherche für diese Reportage kam es im Kraftwerk Kosovo A zu einem schweren Unfall. Bei einer Explosion sollen verschiedenen Berichten zufolge mindestens zwei Menschen getötet worden sein. Die Zahl der Verletzten wurde mit mindestens zwölf angegeben. Die Explosion sei noch in der zehn Kilometer entfernten Hauptstadt Pristina zu hören gewesen.

Die konkrete Umsetzung des umstrittenen Projektes bleibt ungewiss. Wird Kosovo A tatsächlich bis 2017 stillgelegt? Wie viele Menschen werden dem Tagebau weichen müssen? Wann und wohin werden sie umgesiedelt?




Kapitel




Es gab in Deutschland einen Ort, der umgesiedelt werden musste. Er lag an einem See. Auf einer Insel in diesem See wohnte ein Storch. Die Regierung baute den Ort woanders nach – inklusive See und Insel mit Storch. Das erzählten einige Bewohner von Hade und Obiliq Alessandro Alviani. Wie der Ort heißt? Niemand wusste es – aber alle sprachen davon mit großen Augen.